Veröffentlicht am März 11, 2024

Der Schlüssel zu mehr Leistung am Berg ist nicht rohe Muskelmasse, sondern die gezielte Entwicklung funktioneller Kraft, die Ihr Watt/kg-Verhältnis verbessert statt verschlechtert.

  • Die Art der Hypertrophie (myofibrillär vs. sarkoplasmatisch) entscheidet, ob Sie Kraft oder nur Volumen aufbauen.
  • Die zeitliche Trennung von Kraft- und Ausdauereinheiten ist entscheidend, um den Interferenz-Effekt zu minimieren und beide Trainingsreize voll auszuschöpfen.

Empfehlung: Konzentrieren Sie sich auf schwere Gewichte mit 3-5 Wiederholungen und planen Sie mindestens 6 Stunden Pause zwischen Kraft- und Radeinheiten.

Jeder ambitionierte Radfahrer kennt das Dilemma: Sie wollen mehr Druck aufs Pedal bringen, die entscheidenden Watt mehr mobilisieren, um die Konkurrenz am Anstieg oder im Zielsprint hinter sich zu lassen. Der naheliegende Gedanke ist oft: mehr Kraft durch mehr Muskeln. Doch hier beginnt die Zwickmühle. Während die absolute Leistung (in Watt) steigt, klettert auch das Körpergewicht auf der Waage. Plötzlich fühlen sich die Anstiege zäher an, und das hart erarbeitete Plus an Power scheint durch das zusätzliche Gewicht zunichtegemacht zu werden.

Die gängigen Ratschläge beschränken sich oft auf allgemeines Krafttraining, ohne auf die spezifischen Bedürfnisse von Radsportlern einzugehen. Man hört von Kniebeugen und Planks, aber selten wird das „Warum“ und „Wie“ detailliert erklärt. Die wahre Herausforderung für einen Radfahrer ist nicht, einfach nur Muskeln aufzubauen, wie es ein Bodybuilder tun würde. Es geht darum, eine ganz bestimmte Art von Muskulatur zu entwickeln: funktionelle, dichte und leistungsfähige Muskeln, die die Kraftübertragung maximieren, ohne unnötigen Ballast zu erzeugen. Das Geheimnis liegt in der Qualität, nicht in der Quantität der Muskeln.

Dieser Artikel durchbricht den Mythos, dass mehr Muskeln automatisch zu mehr Geschwindigkeit führen. Wir tauchen tief in die Sportwissenschaft ein, um Ihnen zu zeigen, wie Sie gezielt radsportspezifische Kraft aufbauen. Wir analysieren, welche Übungen den größten Übertrag auf die Pedale haben, warum die Anzahl der Wiederholungen wichtiger ist als das bloße Gefühl des „Pump“ und wie Sie Ihr Training strukturieren, um das gefürchtete Watt-pro-Kilogramm-Verhältnis (W/kg) nicht nur zu halten, sondern gezielt zu verbessern. Machen Sie sich bereit, stärker zu werden, ohne langsamer zu werden.

In den folgenden Abschnitten finden Sie eine detaillierte Anleitung, die auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und praxiserprobten Methoden basiert. Dieser Leitfaden hilft Ihnen, die typischen Fallen des Krafttrainings zu vermeiden und Ihre Leistung auf ein neues Level zu heben.

Warum 2kg Muskelmasse Ihre absolute Power um 30W steigern, aber W/kg um 0,2 senken kann?

Das Konzept von Watt pro Kilogramm ist die entscheidende Währung im Radsport, besonders wenn die Schwerkraft ins Spiel kommt. Es beschreibt das Verhältnis Ihrer Leistung zu Ihrem Körpergewicht. Ein leichterer Fahrer benötigt weniger absolute Watt, um die gleiche Geschwindigkeit am Berg zu halten wie ein schwererer Konkurrent. Hier liegt das Leistungs-Paradoxon: Eine Zunahme an Muskelmasse erhöht zwar Ihre absolute Leistungsfähigkeit (die maximale Wattzahl, die Sie treten können), aber wenn diese Masse nicht „funktionell“ ist, kann sie Ihr W/kg-Verhältnis negativ beeinflussen.

Stellen wir uns einen 75 kg schweren Fahrer mit einer Schwellenleistung (FTP) von 300 Watt vor. Sein W/kg-Verhältnis beträgt 4,0. Er absolviert ein unspezifisches Hypertrophie-Training, nimmt 2 kg Muskelmasse zu und wiegt nun 77 kg. Seine FTP steigt um 30 Watt auf 330 Watt. Klingt gut, oder? Rechnen wir nach: 330 Watt / 77 kg = 4,28 W/kg. In diesem Fall hat es sich gelohnt. Aber was passiert, wenn die 2 kg Muskeln – zum Beispiel an Armen und Brust – nur 15 Watt mehr auf die Pedale bringen? Dann liegt die neue Leistung bei 315 Watt. Das neue W/kg-Verhältnis: 315 / 77 = 4,09 W/kg. Der Zuwachs ist marginal. Im schlimmsten Fall, wenn die Masse rein non-funktional ist, sinkt das Verhältnis sogar. Während Hobbyfahrer oft zwischen 2,5 und 3,5 Watt/kg bei einer längeren Bergfahrt erreichen, ist für ambitionierte Fahrer jeder Zehntelpunkt entscheidend.

Dieses Paradoxon tritt auf, wenn der prozentuale Zuwachs an Körpergewicht größer ist als der prozentuale Zuwachs an radsportspezifischer Leistung. Die Lösung liegt also nicht darin, Krafttraining zu meiden, sondern darin, eine Art von Muskelwachstum zu stimulieren, die maximale Kraft bei minimaler Massezunahme erzeugt. Dies ist der Kern eines intelligenten Trainings für Radfahrer.

Welche 6 Übungen maximale Radsport-Transfer-Wirkung haben: Bulgarian Split Squats, Hip Thrusts, Planks?

Nicht jede Kraftübung ist für Radfahrer gleich wertvoll. Der Schlüssel ist die „Transfer-Wirkung“ – wie gut sich der Kraftzuwachs aus einer Übung auf die spezifische Bewegung des Pedalierens übertragen lässt. Bodybuilding-Übungen, die Muskeln isoliert trainieren, sind oft wenig zielführend. Stattdessen sollten Sie sich auf komplexe Bewegungen konzentrieren, die die Muskelketten aktivieren, die Sie auf dem Rad benötigen. Stabilität im Rumpf, explosive Hüftstreckung und unilaterale Beinkraft sind hier die entscheidenden Faktoren.

Die folgenden sechs Übungen bilden eine extrem effektive Grundlage, da sie genau diese Aspekte ansprechen. Sie stärken nicht nur die primären Antriebsmuskeln, sondern auch die stabilisierende Muskulatur, die für eine effiziente Kraftübertragung und die Vermeidung von Verletzungen unerlässlich ist. Der Bulgarian Split Squat ist hierfür ein Paradebeispiel, da er die unilaterale Kraft und das Gleichgewicht schult, was der einbeinigen Belastung beim Pedalieren sehr nahekommt.

Radfahrer führt Bulgarian Split Squat zu Hause aus

Hier ist eine Auswahl von sechs Übungen mit maximaler Transfer-Wirkung für Radsportler:

  • Bulgarian Split Squats: Diese einbeinige Kniebeugen-Variante ist radsportspezifisch und verbessert Kraft, Gleichgewicht und Leistung, indem sie die Stabilität der Hüfte und des Rumpfes unter unilateraler Belastung trainiert.
  • Romanian Deadlifts (Rumänisches Kreuzheben): Stärkt die gesamte hintere Kette – Rücken, Hüfte, Gesäß- und Oberschenkelmuskulatur. Diese arbeiten im Einklang und verbessern die Kraft beim Ziehen am Pedal sowie die Ausdauer in der anspruchsvollen gebeugten Haltung.
  • Hip Thrusts (Hüftstoßen): Trainiert gezielt die Gesäßmuskulatur (Gluteus Maximus), den stärksten Muskel des Körpers. Eine explosive Hüftstreckung ist der Motor für maximale Kraftentwicklung, besonders im Sprint und am Berg.
  • Curtsy Lunges: Diese Ausfallschritt-Variante trainiert die oft vernachlässigten inneren Oberschenkelmuskeln (Adduktoren) und den Gluteus Medius. Dieser stabilisiert das Becken und verhindert, dass Kraft seitlich verloren geht, anstatt direkt auf die Pedale zu wirken.
  • Planks (Unterarmstütz): Ein starker Rumpf ist das Fundament für jede Bewegung auf dem Rad. Planks verbessern die Core-Stabilität, was eine bessere Kraftübertragung von den Beinen ermöglicht und Energieverluste durch unnötige Oberkörperbewegungen minimiert.
  • Oberkörper-Ruderbewegungen: Ein starker oberer Rücken stabilisiert die Position auf dem Rad, besonders bei langen Fahrten und im Wiegetritt. Ruderbewegungen schaffen eine solide Basis, die es den Beinen erlaubt, ihre maximale Effizienz zu entfalten, ohne dass der Oberkörper ermüdet.

8-12 Wiederholungen für Masse vs. 3-5 Reps für Kraft: Was verbessert Radsport-Performance mehr?

Die Antwort auf diese Frage ist der Kern eines jeden intelligenten Krafttrainings für Ausdauersportler und liegt in der Unterscheidung zweier Arten von Muskelhypertrophie: der sarkoplasmatischen und der myofibrillären. Das klassische Bodybuilding-Training im Bereich von 8-12 Wiederholungen zielt primär auf die sarkoplasmatische Hypertrophie ab. Dabei vergrößert sich das Volumen der Muskelzelle hauptsächlich durch eine Zunahme der Zellflüssigkeit (Sarkoplasma) und anderer nicht-kontraktiler Elemente. Das Ergebnis: mehr Volumen und Gewicht, aber nur ein geringer Zuwachs an Maximalkraft. Für einen Radfahrer ist das der direkte Weg in die „Masse-Falle“.

Im Gegensatz dazu steht die myofibrilläre Hypertrophie, die durch Training mit schweren Gewichten im Bereich von 3-5 Wiederholungen (ca. 85-100% Ihrer Maximalkraft für eine Wiederholung) stimuliert wird. Hierbei vermehren und verdicken sich die kontraktilen Proteine (Myofibrillen) innerhalb der Muskelfaser. Dies führt zu einem signifikanten Anstieg der Fähigkeit des Muskels, Kraft zu erzeugen, bei nur minimaler Zunahme von Volumen und Gewicht. Es ist die Methode, um die „Muskeldichte“ und die neuromuskuläre Effizienz zu steigern – Ihr Gehirn lernt, mehr Muskelfasern gleichzeitig zu rekrutieren. Genau das verbessert Ihr W/kg-Verhältnis. Dass diese Methode funktioniert, ist wissenschaftlich belegt: So bewiesen Forscher der Universität Trondheim, dass eine Versuchsgruppe von Radfahrern, die ergänzendes schweres Krafttraining absolvierte, bei einer 5-minütigen All-out-Fahrt signifikant bessere Leistungen erbrachte.

Die folgende Tabelle fasst die wichtigsten Unterschiede zusammen und zeigt klar, welcher Weg für leistungsorientierte Radfahrer der richtige ist.

Vergleich: Myofibrilläre vs. Sarkoplasmatische Hypertrophie für Radfahrer
Hypertrophie-Art Wiederholungsbereich Effekt für Radfahrer Gewichtszunahme
Myofibrilläre 3-5 Reps (85-100% 1RM) Mehr Kraft ohne Volumenzunahme Minimal
Sarkoplasmatische 8-12 Reps (60-80% 1RM) Volumen ohne Kraftzuwachs Deutlich

Die Masse-Falle: Warum Bizeps und Brust-Training für Bergfahrer Performance kostet statt bringt?

Im Radsport, insbesondere am Berg, ist jedes Gramm, das nicht zur Fortbewegung beiträgt, Ballast. Dies ist die „Masse-Falle“: Muskelmasse, die zwar optisch beeindruckt, aber keine funktionelle Rolle bei der Kraftübertragung auf die Pedale spielt. Die klassischen „Spiegelmuskeln“ wie Bizeps, Brust und seitliche Schultern sind hier die Hauptverdächtigen. Ein intensives Training dieser Muskelgruppen führt zu sarkoplasmatischer Hypertrophie – mehr Volumen und Gewicht, aber praktisch keinem Vorteil auf dem Rad. Im Gegenteil, dieses zusätzliche Gewicht müssen Sie jeden Meter den Berg hinaufhieven, was Ihr W/kg-Verhältnis direkt sabotiert.

Der legendäre Leistungsunterschied zwischen Lance Armstrong und Marco Pantani am Anstieg nach Alpe d’Huez illustriert dies perfekt. Die Jorge Sports Analyse hebt diesen Punkt hervor:

Armstrong war zu seinen aktiven Zeiten etwa 15 kg schwerer als Pantani. Um die Auffahrt nach Alpe d’Huez mit annähernd der gleichen Geschwindigkeit zu fahren, musste Armstrong fast 6 Watt pro kg Gewichtsunterschied mehr Leistung aufs Pedal bringen.

– Jorge Sports Analyse, Leistungsvergleich Radfahren

Das bedeutet jedoch nicht, dass der Oberkörper komplett vernachlässigt werden sollte. Ein starker, aber schlanker Oberkörper ist entscheidend, aber der Fokus muss auf Funktionalität statt auf Volumen liegen. Ein stabiler Rumpf und ein kräftiger oberer Rücken (wie durch Ruderübungen trainiert) schaffen eine feste Plattform, von der aus die Beine ihre Kraft entfalten können. Sie verhindern Energieverluste durch Schaukeln des Oberkörpers und reduzieren Ermüdung und Schmerzen auf langen Fahrten. Es geht also darum, den Oberkörper als stabilisierendes Chassis zu sehen, nicht als zusätzlichen Motor. Das Ziel ist eine athletische, sehnige Statur, nicht die eines Bodybuilders.

Krafttraining morgens und Radfahren abends, oder umgekehrt: Was minimiert Concurrent-Training-Effekt?

Die Kombination von Kraft- und Ausdauertraining, auch „Concurrent Training“ genannt, stellt den Körper vor eine Herausforderung. Beide Trainingsarten senden unterschiedliche Signale an die Muskulatur. Ausdauertraining aktiviert primär das Enzym AMPK, das die Mitochondriendichte und die aerobe Kapazität verbessert. Schweres Krafttraining hingegen stimuliert den mTOR-Signalweg, der die Proteinsynthese und damit das Muskelwachstum (myofibrilläre Hypertrophie) anregt. Das Problem: Eine hohe AMPK-Aktivität kann die mTOR-Aktivierung hemmen. Trainiert man beides zu kurz hintereinander, riskiert man, dass sich die Anpassungsprozesse gegenseitig stören – der sogenannte Interferenz-Effekt.

Die Lösung liegt im richtigen Timing. Ziel ist es, die beiden Einheiten so weit wie möglich voneinander zu trennen, um jedem Signalweg genügend Zeit zur Entfaltung zu geben. Die aktuelle Forschung zu Hybrid-Training zeigt, dass das für die Ausdauer zuständige AMPK-Enzym nach einer Erholungsphase relativ schnell wieder auf sein Basisniveau sinkt. Eine Pause von mindestens sechs Stunden zwischen den Einheiten wird daher als effektiv angesehen, um die negativen Interferenzen zu minimieren. Je größer der Abstand, desto besser.

Zeitplan für optimales Kraft- und Ausdauertraining

Aber welche Reihenfolge ist die beste? Die Evidenz deutet darauf hin, dass die Priorität entscheidend ist. Wenn Ihr Hauptziel der Kraftaufbau ist, sollten Sie das Krafttraining mit „frischen“ Muskeln absolvieren, also idealerweise morgens. Eine lockere bis moderate Ausdauereinheit kann dann am Abend folgen. Ist Ihr Fokus an einem Tag eher auf einer intensiven Radeinheit (z.B. Intervalle), sollte diese zuerst stattfinden. Das Krafttraining kann dann später am Tag oder am Folgetag absolviert werden. Eine gute Faustregel: Die Einheit, die für Ihr aktuelles Trainingsziel wichtiger ist, kommt zuerst. Für die meisten Radfahrer, die ihre Kraft steigern wollen, bedeutet das: Krafttraining am Morgen, Radfahren am Abend.

Warum 2kg Muskelmasse Ihre absolute Power um 30W steigern, aber W/kg um 0,2 senken kann?

Wir haben das Leistungs-Paradoxon bereits mathematisch betrachtet, doch seine wahre Bedeutung entfaltet sich in der Praxis: am Anstieg. Stellen Sie sich einen 10 Kilometer langen Anstieg mit 8 % Steigung vor. Hier kämpfen Sie nicht nur gegen den Luft- und Rollwiderstand, sondern primär gegen die Schwerkraft. Jedes zusätzliche Kilogramm Körpergewicht muss mit reiner Energie nach oben befördert werden. Eine Zunahme von 2 kg non-funktionaler Muskelmasse ist wie das ständige Mitführen von zwei vollen Wasserflaschen – ein permanentes Handicap.

Selbst wenn Ihre absolute Leistung um beeindruckende 30 Watt gestiegen ist, kann dieser Vorteil durch das Zusatzgewicht an steilen Rampen vollständig neutralisiert oder sogar ins Negative verkehrt werden. Der Grund: Die für das Überwinden der Steigung erforderliche Leistung steigt linear mit dem Gesamtgewicht (Fahrer + Rad). Wenn die 2 kg zusätzliches Gewicht eine Leistungssteigerung von beispielsweise 5 % erfordern, Ihre funktionale Leistung aber nur um 3 % gestiegen ist, werden Sie effektiv langsamer. Ein Fahrer, der sein W/kg-Verhältnis von 4,5 auf 4,3 verschlechtert, wird am Berg spürbar an Boden verlieren, obwohl sein Tacho auf der Ebene höhere Geschwindigkeiten anzeigt.

Das historische Duell zwischen dem leichten Kletterer Marco Pantani und dem kraftvollen, aber schwereren Lance Armstrong ist das perfekte Lehrstück. Armstrong musste eine weitaus höhere absolute Wattzahl aufbringen, nur um mit Pantani mitzuhalten. Für ambitionierte Hobbyfahrer in den deutschen Mittelgebirgen oder den Alpen bedeutet das: Konzentrieren Sie sich darauf, den Motor (Ihre funktionale Kraft) zu tunen, ohne das Chassis (Ihr Körpergewicht) unnötig zu beschweren. Effizienz schlägt rohe Gewalt, sobald die Straße ansteigt.

Welche 6 Übungen maximale Radsport-Transfer-Wirkung haben: Bulgarian Split Squats, Hip Thrusts, Planks?

Nachdem wir die sechs Schlüsselübungen identifiziert haben, wollen wir nun tiefer in ihre Biomechanik eintauchen und verstehen, warum genau sie eine so hohe Transfer-Wirkung auf die Pedalumdrehung haben. Jede dieser Übungen simuliert oder unterstützt eine kritische Phase des Tretzyklus und stärkt die Muskelketten, die für eine effiziente und kraftvolle Bewegung unerlässlich sind.

Der Tretzyklus ist keine einfache Abwärtsbewegung, sondern ein komplexes Zusammenspiel aus Druck- und Zugphasen, das eine 360-Grad-Koordination erfordert. Hier ist, wie die empfohlenen Übungen in dieses System eingreifen:

  • Bulgarian Split Squats & Curtsy Lunges: Diese unilateralen Übungen spiegeln die einbeinige Natur des Tretens wider. Sie trainieren nicht nur die großen Antriebsmuskeln (Quadrizeps, Gesäß), sondern vor allem die stabilisierenden Muskeln um Hüfte und Knie (z.B. Gluteus Medius). Diese verhindern, dass das Knie nach innen oder außen ausbricht, und sorgen dafür, dass die Kraft geradlinig und verlustfrei auf das Pedal übertragen wird.
  • Hip Thrusts: Diese Übung isoliert den Gluteus Maximus, den Hauptmotor für die Hüftstreckung. Diese Bewegung ist identisch mit der kraftvollen Abwärtsbewegung des Pedals von der 12-Uhr- bis zur 5-Uhr-Position. Ein starker Gluteus ermöglicht einen explosiveren Antritt und mehr Durchhaltevermögen am Berg.
  • Romanian Deadlifts: Diese Übung stärkt die gesamte hintere Kette, die für die Zugphase des Pedalierens (von 6-Uhr bis 12-Uhr) und für die Stabilisierung der Hüfte in der aerodynamischen Sitzposition entscheidend ist. Eine starke hintere Kette entlastet den unteren Rücken und verbessert die „runde“ Trittbewegung.
  • Planks & Ruderbewegungen: Diese Übungen schaffen ein stabiles Fundament. Ein fester Rumpf (Planks) wirkt wie ein Anker, der verhindert, dass die im Unterkörper erzeugte Kraft im Oberkörper verpufft. Ein starker oberer Rücken (Rudern) ermöglicht es Ihnen, fest am Lenker zu ziehen (z. B. im Wiegetritt oder Sprint) und so zusätzliche Kraft zu mobilisieren, indem Sie den ganzen Körper einsetzen.

Diese Übungen sind kein zufälliges Sammelsurium, sondern ein gezieltes System, das darauf ausgelegt ist, die spezifischen muskulären und neuromuskulären Anforderungen des Radsports zu erfüllen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Priorisieren Sie das Watt/kg-Verhältnis über die absolute Leistung. Jedes Gramm non-funktionale Masse verlangsamt Sie am Berg.
  • Konzentrieren Sie Ihr Krafttraining auf den myofibrillären Bereich (3-5 schwere Wiederholungen), um Kraft und nicht Volumen aufzubauen.
  • Wählen Sie Verbundübungen mit maximaler Transfer-Wirkung (unilateral, hüftdominant, rumpfstabilisierend) und vermeiden Sie isoliertes Bodybuilding-Training.

Wie Krafttraining + Technik-Sessions Ihre Radsport-Performance mehr steigern als 3 Stunden mehr Ausdauertraining?

Viele Radfahrer verfallen dem Glauben, dass der einzige Weg zur Verbesserung darin besteht, einfach mehr Kilometer zu fahren. Doch ab einem gewissen Trainingsniveau führen zusätzliche Stunden im Sattel, besonders im Grundlagenbereich, nur noch zu marginalen Verbesserungen und erhöhen gleichzeitig das Risiko von Übertraining und Stagnation. Hier wird Krafttraining zum entscheidenden Hebel. Es ist keine Alternative zum Radfahren, sondern ein Leistungsverstärker, der Bereiche verbessert, die durch reines Ausdauertraining nicht erreicht werden können.

Schweres Krafttraining verbessert die neuromuskuläre Ansteuerung und die maximale Rekrutierung von Muskelfasern. Das bedeutet, dass Sie für denselben Krafteinsatz weniger Muskelfasern benötigen, was Ihre Effizienz steigert und Ermüdung hinauszögert. Dies ist besonders in späteren Phasen eines Rennens oder einer langen Tour entscheidend. Eine Studie, die im Bikes.de Magazin zitiert wird, unterstreicht dies eindrucksvoll:

Studie: Krafttraining vs. zusätzliche Ausdauereinheiten

Die Autoren der Studie kamen zu dem Schluss, dass Radfahrer ihre Leistung mit nur zwei Krafttrainingseinheiten pro Woche in weniger als drei Wochen verbessern können. Ihr Fazit: „Sowohl Läufer als auch Radfahrer sollten schweres Krafttraining in ihre Trainingsprogramme aufnehmen, um maximale Leistungssteigerungen zu erzielen. Dies scheint besonders für die Leistung in späteren Phasen längerer Aktivitäten wichtig.“

Wenn Sie diese Kraftzuwächse mit gezielten Technik-Sessions auf dem Rad kombinieren (z.B. einbeiniges Fahren, Übungen für einen runden Tritt), schaffen Sie eine kraftvolle Synergie. Die neu gewonnene Kraft kann nun effizienter auf die Pedale übertragen werden. Zwei 45-minütige Kraft-Sessions pro Woche können daher einen weitaus größeren Leistungssprung bewirken als drei zusätzliche Stunden lockeres „Kilometerfressen“. Es ist der Wechsel von einem rein quantitativen zu einem qualitativen Trainingsansatz.

Ihr Aktionsplan: Praktischer Wochenplan für Berufstätige

  1. Grundsatz festlegen: Planen Sie zweimal pro Woche Krafttraining für 30 bis 60 Minuten ein. Die korrekte Ausführung hat immer Vorrang vor dem Gewicht.
  2. Montag (Kraftfokus): Beginnen Sie die Woche morgens mit 45 Minuten Krafttraining für den Unterkörper (z.B. Bulgarian Split Squats, Hip Thrusts), wenn Sie frisch sind.
  3. Dienstag (Erholung & Technik): Planen Sie abends eine lockere 60-minütige Grundlagenfahrt ein. Integrieren Sie Technikübungen wie Fahren mit hoher Trittfrequenz.
  4. Donnerstag (Stabilisation): Absolvieren Sie morgens eine 30-minütige Einheit für den Oberkörper und den Rumpf (z.B. Planks, Ruderbewegungen).
  5. Wochenende (Ausdauer): Nutzen Sie den Samstag für Ihre lange Wochenendausfahrt. Am Sonntag folgt eine sehr lockere Kaffeefahrt, ideal um die Beine zu lockern und an der Technik zu feilen.

Die Integration von Kraft und Technik ist der intelligenteste Weg zur Leistungssteigerung. Um diesen Ansatz erfolgreich umzusetzen, sollten Sie die Synergieeffekte von Kraft- und Techniktraining vollständig verstehen.

Beginnen Sie noch heute damit, Ihr Training neu zu strukturieren. Ersetzen Sie sinnlose Junk-Miles durch gezielte, hochintensive Krafteinheiten und erleben Sie, wie Ihre Leistung auf der Straße explodiert, während Ihr Gewicht stabil bleibt.

Geschrieben von Markus Hoffmann, Markus Hoffmann ist Diplom-Sportwissenschaftler und lizenzierter Trainer (A-Lizenz Radsport) mit 14 Jahren Erfahrung in der Leistungsdiagnostik und Trainingssteuerung für Ausdauersportler. Er betreut ambitionierte Hobbyathleten und entwickelt wissenschaftlich fundierte Periodisierungspläne für maximale Performance-Steigerung.